Die deutsche Industrie ist grundsätzlich von steigenden Energiepreisen bedroht, die Regierung muss daher unverzüglich weitere entlastende Maßnahmen ergreifen, sonst folgen Insolvenzen und sozioökonomische Turbulenzen - betonte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) auf Grundlage einer vorgelegten Umfrage die Interessengemeinschaft am Mittwoch, wonach ein erheblicher Teil von mittelständischen Unternehmen bereits die Produktion gedrosselt oder gar eingestellt habe und erwäge, ihre Aktivitäten im Ausland fortzusetzen.

Laut einer Umfrage des BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) – einem der größten Interessenverbände der deutschen Wirtschaft – unter Beteiligung von rund 600 Unternehmen berücksichtigen 58 Prozent der mittelständischen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes die steigenden Energiepreise und Rohstoffe als starke Bedrohung und 34 Prozent als existenzielle Bedrohung für ihr Überleben.

Aufgrund des rasanten Kostenanstiegs sehen sich 42 Prozent der Unternehmen gezwungen, ihre Klimaschutzinvestitionen aufzuschieben. Das ist Experten zufolge besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass nach Angaben eines der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, dem IW Köln (Institut der deutschen Wirtschaft Köln), die Corona-Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Investitionen bisher zurückgeworfen haben der deutschen Unternehmen um 70 Milliarden Euro, schrieb das Handelsblatt in seiner Zusammenstellung der BDI-Umfrage.

Laut der Umfrage unter den Interessenvertretern der Industrieunternehmen, die zusammen mit den dazugehörigen Dienstleistungen rund ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaften, können sich fast 10 Prozent der mittelständischen Unternehmen der Branche nur durch Drosselung oder Preiserhöhungen gegen steigende Preise schützen die Produktion komplett einstellen. Etwa 25 Prozent von ihnen erwägen, ihre Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern.

Die größten Probleme haben die Akteure in den sogenannten energieintensiven Branchen, also jenen, die zur Herstellung ihrer Produkte außergewöhnlich viel Energie verbrauchen. Das Handelsblatt wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zur Herstellung einer Tonne Aluminium rund 15 Megawattstunden (MWh) Strom benötigt werden, was bei einem Augustpreis von 600 Euro pro MWh Stromkosten von 9.000 Euro pro Tonne bedeutet. Auf dem Weltmarkt werden jedoch rund 2.400 Euro für eine Tonne Aluminium bezahlt, was bedeutet, dass deutsche Unternehmen pro Tonne einen Verlust von 6.600 Euro machen.

Nach Ansicht der WVM-Interessengemeinschaft Metallindustrie (Wirtschaftsvereinigung Metalle) sollte die Regierung Unternehmen, die in energieintensiven Branchen produzieren, sofort finanziell unterstützen. Mangels schneller und möglichst unbürokratischer Hilfe könnten "irreversible Schäden" an der Struktur der deutschen Industrie entstehen - das Handelsblatt erläuterte die Position der WVM, wonach das Preisniveau des sogenannten Industriestroms liegen solle mit Unterstützung der Regierung an den Durchschnitt der letzten zehn Jahre angepasst. Das sind 41,74 Euro pro MWh, knapp ein Zehntel des Augustpreises.

Auch BDI-Chef Siegfried Russwurm fordert schnelle Maßnahmen und betonte in seiner Stellungnahme zur Mittelstandsbefragung, dass das neue – dritte, diesmal 65 Milliarden Euro schwere – Entlastungsprogramm der Bundesregierung den Unternehmen nicht genug helfe .

Wie er schrieb, leide die Wirtschaft unter „der größten Energiekrise in der Geschichte Deutschlands“, mit der die Regierung nicht richtig umgehe. So sei es beispielsweise "völlig unbefriedigend", dass nur zwei der in Reserve gestellten Kohlekraftwerke die Produktion wieder hochgefahren und nur zwei der drei noch laufenden Kernkraftwerke ihre Betriebszeit verlängert hätten, und zwar nur für ein paar Monate. Es müsse schnellstmöglich ein auf die Situation und Probleme der Branche zugeschnittenes Sonderprogramm aufgelegt werden, in dessen Rahmen der Staat unter anderem zur Finanzierung der Stromnetzentgelte einspringen müsse, um den Preisanstieg zu moderieren, fordert die Präsident des BDI.

MTI

Foto: Pavel Lvov/Sputnik via AFP)