„Die ungarischen Konservativen sind ein Retter in der immer verrückter werdenden europäischen Welt“, sagt Hans-Georg Maaßen. Der Krieg in der Ukraine sei nicht unser Krieg, so der ehemalige Chef des deutschen Geheimdienstes, und wir sollten einen Waffenstillstand anstreben.
Warum sind Sie dieses Mal nach Budapest gekommen?
In gewisser Weise betrachte ich mich als eine Art politische Aktivistin, weil ich mir Sorgen um die Situation in Deutschland und Mitteleuropa mache. Ich sollte mich nicht politisch äußern, aber ich tue es trotzdem, weil ich sehe, dass unsere Situation sehr schwierig ist und die deutsche Politik viele Fehler macht. Übrigens finde ich Budapest eine schöne Stadt, die sich in den letzten zehn Jahren sehr zu ihrem Vorteil verändert hat. Ich traf alte Kollegen und führte politische Gespräche mit Gleichgesinnten. Was den Fidesz und die ungarischen Konservativen betrifft, so habe ich wirklich den Eindruck, dass sie eine Art Bollwerk in dieser immer verrückter werdenden europäischen Welt sind, die von aufgeweckter Ideologie und dem neuen Sozialismus überschwemmt wird.
Haben Sie auch den Premierminister getroffen?
Nein, ich habe ihn nicht getroffen.
Kürzlich in Berlin hatte er jedoch Gelegenheit, persönliche Eindrücke darüber zu sammeln.
Ja, bei einer Podiumsdiskussion . Es war in vielerlei Hinsicht eine interessante Veranstaltung. Einerseits schämte ich mich ein wenig für die deutschen Journalisten, die sich beinahe entschuldigt hätten, Herrn Orbán eingeladen zu haben – als wäre er kein gern gesehener Gast. Ich muss sagen, dass ich sehr beeindruckt war von der Offenheit und Direktheit, mit der Orbán alle Fragen nachdenklich und professionell beantwortete. Vielen sprach er aus dem Herzen, etwa zum Thema Sanktionen, Waffenstillstand oder Familie. Familie ist ein sehr wichtiges Thema in Deutschland. Allerdings enttäuschte er viele in einer Hinsicht: Orbán agierte als ungarischer Ministerpräsident und nicht als Anführer der europäischen Konservativen, wie viele es gerne hätten.
Sie sprechen gerne Klartext: Sie haben kürzlich erklärt, der Krieg in der Ukraine sei nicht unser Krieg.
Ja, das ist richtig.
Wessen dann?
Ich stimme Orbán in dieser Frage zu. Dies ist kein zweiseitiger Krieg, also muss er in einem globalen Kontext betrachtet werden. Es ist ein Stellvertreterkrieg zwischen Amerika und Russland.
Mir ist auch klar, dass die Amerikaner vorerst keinen Waffenstillstand und keine Verhandlungen wollen. Das ist leider unser großes Problem, denn wir sind zusammen mit den Ukrainern die größten Opfer dieses Krieges. Besonders schade finde ich, dass wir Europäer den Amerikanern blind hinterherlaufen und keine eigenen Positionen haben. Wir fordern keinen Waffenstillstand, wir sagen nicht, dass wir auch in Ihrem Interesse ein Verstummen der Waffen erwarten. Jeden Tag sterben Tausende Ukrainer und Russen, und wir müssen uns um sinnvolle Beziehungen auf dem Kontinent bemühen.
Es ist klar, dass die Amerikaner andere Interessen haben. Die Amerikaner sind unsere Partner, vielleicht decken sich unsere Interessen zu neunzig Prozent, aber nicht jetzt. Als Europäer müssen wir viel selbstbewusster und stärker werden, und ich finde es schade, dass Deutschland diese Rolle nicht übernehmen kann. Wir sind ein totaler Versager.
Also stiftet die Bundesregierung den Krieg an? Das warf er kürzlich auch Ursula von der Leyen vor.
Es muss gesehen werden, dass der Bund keine monolithische Einheit ist. Ich habe das Gefühl, dass sich Herr Scholz in den letzten Monaten zurückgehalten und nicht unnötig Öl ins Feuer gegossen hat.
Aber die Grünen hetzen ja. Sie sind die Partei, die direkt weiterkämpfen will, bis der letzte Ukrainer stirbt. Früher war es eine pazifistische Partei, heute weigern sie sich überhaupt zu verhandeln. Frau Baerbock [deutsche Außenministerin Annalena Baerbock - Red.] ist unsere Chefdiplomatin; Seine Aufgabe ist es, die Parteien zu Verhandlungen zu bewegen. Wir haben sogar mit den Taliban verhandelt und uns mit ihnen geeinigt. Wir müssen auch mit den Russen verhandeln können.
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Autor: László Greczula Levente
Bild: Márton Ficsor