Bei meiner letzten Tätigkeit im ungarischen Parlament hatte ich die Möglichkeit, in einem speziellen Bereich der Außenpolitik mitzuarbeiten – beginnt András Kelemen.

Denn es ist selbstverständlich, dass sich ein spezialisiertes Ministerium mit der Sektorpolitik befasst. Es beginnt auch zu akzeptieren, dass internationale Beziehungen, die auf zivilen Linien aufgebaut sind, sogar zu einem weltpolitischen Faktor werden können. (Dafür gibt es konstruktive und destruktive Beispiele.) Weniger bekannt ist jedoch, wie einzelne Parlamente miteinander in Kontakt bleiben und als vermittelnde Kräfte agieren. Da ist zunächst die Interparlamentarische Union, in der Ungarn Gründungsmitglied ist. Auf einer grundlegenden Ebene gewährleistet es die Möglichkeit des Kontakts zwischen den Vertretern jedes teilnehmenden Parlaments, insbesondere durch die darin geschaffenen Freundschaftsgruppen. Als gutes Beispiel kann ich sagen, dass ich als wiederholt gewählter Leiter der ungarisch-türkischen Freundschaftsgruppe vom Regimewechsel bis 2010 ständig mit den wechselnden Botschaftern und den interessierten Mitgliedern der Großen Türkischen Nationalversammlung kommunizieren konnte bei uns - sowie natürlich bei den befreundeten türkischen und ungarischen Zivilorganisationen. Gleichzeitig wurde damit die Diskontinuität überbrückt, die persönliche Veränderungen in der Politik bedeuten. Und zwischen 2010 und 2019 konnte ich als Chefberater für Außenpolitik des Präsidenten auch in diesem Bereich weiterbauen: So haben wir Ungarn den Weg in die Kooperationsforen der türkischsprachigen Staaten geebnet. Als einziges nicht türkischsprachiges Mitgliedsland ist uns dies so gelungen, dass László Kövér auf seiner Dienstreise in die Türkei im Jahr 2013 als Ergebnis von zwei Jahrzehnten Beziehungsaufbau nicht nur vom Präsidenten empfangen wurde des türkischen Parlaments, sondern auch des Ministerpräsidenten und des Staatspräsidenten. Im selben Jahr gab ich in Ankara offiziell die Absicht des ungarischen Parlaments bekannt, dem von den Parlamenten der türkischen Länder gebildeten Kooperationsforum (TURKPA) beizutreten. Nach unserer Aufnahme fand unsere Reise nach Baku statt: 2014 nahm Sándor Lezsák als Vizepräsident des Parlaments bereits an der nächsten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der türkischsprachigen Länder teil. Der nächste Schritt in diesem Prozess war die Aufnahme zwischenstaatlicher Beziehungen. Dies geschah mit unserem Beitritt zum Türkischen Rat (TURKKON) in Csolpon Ata. Und als einziges EU-Mitglied eröffnete Ungarn in Budapest die einzige Repräsentanz des Türkischen Rates innerhalb der EU.

Diese Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir unseren außenpolitischen Spielraum mit neuen Instrumenten erweitern können.

Die wichtigste außenpolitische Bewegung gab es jedoch unter den EU-Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten. Als relativ kleines Land mit klaren Zielen mussten wir, um in der Union effektiv zu sein, Beziehungen in diesem Bereich aufbauen. Wir haben versucht, die Beteiligung der nationalen Parlamente in der EU zu verbessern und zu koordinieren. Denn es wird immer offensichtlicher, dass das Europäische Parlament diese nicht nur nicht ersetzt, sondern immer mehr zu einer eigenen Gewalt werden will. Und da die Vertreter dort immer weniger die Interessen sowohl ihres Herkunftslandes als auch der Bevölkerung Europas vertraten, waren wir der festen Überzeugung, dass der europäischen Zivilgesellschaft das Wort zurückgegeben werden sollte. Diese wird von den Parlamenten der einzelnen Mitgliedsstaaten besser vertreten als vom europäischen Oberwasser. Deshalb haben wir trotz der bürokratischen Schwierigkeiten versucht, die regionalen Co-Parlamente, insbesondere die Mitglieder der V4, zum Handeln, also zur Mitwirkung an der EU-Entscheidungsfindung zu bewegen.

Der Einfluss über den Ozean hinweg auf unseren Kontinent hat unseren Bemühungen hier besonderes Gewicht verliehen. Mitte der 2010er Jahre versuchte die Újvilág, unser altes Europa mit zwei großen Verträgen zu assimilieren. Das eine war TTIP, das andere CETA.

Die Essenz von TTIP, oder Transatlantic Trade and Investment Partnership mit vollem Namen, bestand darin, Barrieren für Warenströme so weit abzubauen, dass die gesetzlichen Regelungen in der EU denen in den Vereinigten Staaten so nahe wie möglich kommen. Der Köder war, dass es das Handeln und Investieren billiger und einfacher machen könnte. Aber z.B. beinhaltete die Annahme eines lockereren Systems von Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit. Außerdem gab es starken Druck, die schwer durchsetzbare ungarische Genfreiheitsverordnung aufzuheben. Darüber hinaus können in Streitfällen zwischen den beiden Parteien – z.B. bei der Verabschiedung neuer Gesetze - aber er hätte die Entscheidungsfindung in die Hände eines Gremiums aus Bürokraten und Industrie- und Handelsexperten gelegt. Er wollte also die Gesetzgebung der Nationalstaaten und damit die Souveränität der Staaten weiter einschränken. Unter Trumps Präsidentschaft wurde das Thema endgültig vom Tisch genommen.

Wenn das nicht klappte, gab es noch einen ähnlichen Versuch. Die Situation war der früheren im Fall von CETA (umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen) auf unheimliche Weise ähnlich. Das war der Plan des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada, das schließlich von allen EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament gebilligt wurde und damit in die Phase der in den einzelnen Ländern fälligen Ratifizierung eintrat und sogar vorübergehend in Kraft trat 21. September 2017, - und blieb dort hängen. Sein Kern war die Erleichterung von Investitionen und die Abschaffung der meisten Zölle. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau besuchte Brüssel im Oktober 2016 persönlich. Seine Gegner behaupteten, dass es die Verbraucherrechte und die Lebensmittelsicherheit in Europa schwäche und die Arbeitslosigkeit auf unserem Kontinent erhöhen könnte. Bei Streitigkeiten zwischen Investoren und den betroffenen Ländern wäre den einzelnen Ländern die Entscheidung aus der Hand genommen worden.

Mit anderen Worten: Ein Freihandelsabkommen hätte den Weg für die zunehmende Vorherrschaft des nordamerikanischen Kontinents geebnet. (Letztendlich erfolgte die Unterwerfung Europas aber nicht auf diese Weise, sondern vor allem durch die Sanktionen des amerikanisch-russischen Krieges in der Ukraine.)

Ein wesentliches Element unserer EU-bezogenen Politik war unsere kontinuierliche Tätigkeit in den Balkanstaaten: die Annäherung der Akteure und die professionelle Begleitung des EU-Beitritts. Es schien, dass der Westen nicht wirklich daran interessiert war, dass der Westbalkan, von Ungarn im Süden bis nach Griechenland, ein explosives Gebiet ist, das für andere Weltmächte anfällig ist. Präsident Kövér und ich haben die Länder dieser Region deshalb viel besucht und auch vielfältige Treffen organisiert, um gemeinsam zu handeln.

Zusammenfassend möchte ich darauf hinweisen, dass bei kleineren oder stark angegriffenen Ländern neben der offiziellen und der „Volksdiplomatie“ auch der Kontakt zwischen gewählten Vertretern eine bedeutende Rolle spielen kann. (Und dabei hilft das Auswärtige Amt des Parlaments.) Der Parlamentarier muss ein echter Vermittler sein: Einerseits zwischen den innenpolitischen Entscheidungsträgern und den Bürgern des Landes, andererseits kann er sich aktiv einbringen zur Akzeptanz der Außenpolitik und zur Imagebildung des Landes; denn sein internationales Kontaktnetz ermöglicht die Kommunikation mit Entscheidungsträgern in anderen Ländern.