Gestern haben die unabhängigen und objektiven Medien den ungarischen Ministerpräsidenten als eine Person vor Gericht gestellt, weil er so wütend war, dass er dem ukrainischen Präsidenten, der als Marvel-Held auf die Hauptbühne in Brüssel marschierte, keinen Beifall spendete.
Hier eine kleine Auswahl der Schlagzeilen vom Donnerstag:
Hier ist das Video, Viktor Orbán machte sich nicht einmal die Mühe zu applaudieren, als Volodymyr Zelensky ankam (Népszava)
Viktor Orbán applaudierte bei Selenskyjs Ankunft nicht und vermied Augenkontakt - Video (HVG)
Orbán ist fast der einzige, der Zelenskyi nicht applaudiert, als er zum gemeinsamen Fotoshooting kommt (444)
Es gab nicht nur keinen Applaus, Orbán begrüßte Zelenskiy nicht einmal (Stimme)
Fast alle EU-Führer begrüßten Selenskyj in Brüssel mit Applaus, Orbán nicht (Telex)
Viktor Orbán applaudierte Selenskyj auch in Brüssel nicht (Index)
Applaudieren oder nicht applaudieren, das ist hier die große Frage.
Solschenizyn hat in seinem Buch über den Gulag folgende Geschichte beschrieben. Es kam mir gerade in den Sinn, und jedes Übersprechen ist rein zufällig:
„Hier, hier ist ein Bild von damals, wie das alles früher war. Irgendwo in einem Bezirk des Moskauer Gebiets findet ein Parteitreffen statt. Den Vorsitz führt der neue Bezirksparteisekretär, der den Platz des kürzlich festgenommenen einnimmt. Am Ende des Treffens wird es einen Ausdruck der hingebungsvollen Liebe für Genosse Stalin geben. Es versteht sich von selbst, dass alle aufstehen (wie während des Treffens alle aufsprangen, wenn Sein Name gesagt wurde).
Im kleinen Saal donnernder Applaus, der in Jubel übergeht. Drei Minuten, vier Minuten, fünf Minuten brechen sie in immer stürmischer werdenden Jubel aus. Aber ihre Handflächen fangen an zu schmerzen. Aber die lebhafteren keuchen schon. Aber selbst diejenigen, die Stalin aufrichtig vergöttern, halten dies für unerträglich dumm. Aber wer wagt es zuerst aufzuhören?
Der Bezirkssekretär, der auf dem Podest steht und gerade eben die erwähnte Liebeserklärung abgab, könnte es tun. Aber er ist ein neuer Mensch, er hat einen Verhafteten ersetzt, er selbst hat Angst! Immerhin stehen hier im Raum sogar Wärter, klatschen und gucken, wer zuerst stehen bleibt... Und in dem kleinen Raum, von dem weder der Hund noch der Anführer selbst etwas weiß, klatscht der Applaus seit sechs Minuten ! Vor sieben Minuten! Vor acht Minuten! Sie sind fertig! Sie sind verloren! Sie können nicht länger aufhören, bis ihre Herzen aufhören zu dienen und sie zusammenbrechen!
Ganz hinten im Saal, in der Menge, kann man noch blitzen, seltener zuschlagen, nicht so stark, nicht so hemmungslos – aber im Präsidium, vor allen?! Der Direktor der örtlichen Papierfabrik, ein unabhängiger, starker Mann, steht im Präsidium, und obwohl er die ganze Falschheit und Hoffnungslosigkeit der Situation durchschaut, applaudiert er auch! Vor neun Minuten! Vor zehn Minuten! Er sieht den Bezirkssekretär traurig an, traut sich aber nicht aufzuhören. Wahnsinn! Gräuel! Die Anführer des Bezirks blicken sich mit schwacher Hoffnung, aber mit Begeisterung in ihren Gesichtern an, applaudieren, bis sie zusammenbrechen und auf einer Trage abtransportiert werden. Aber die anderen lassen mich nicht...
In der elften Minute setzt sich der Direktor der Papierfabrik mit sachlicher Miene auf seinen Stuhl am Präsidententisch, und siehe da, ein Wunder! Wo ist die allgemeine, ungezügelte, unbeschreibliche Begeisterung geblieben? Gleichzeitig bleiben alle stehen und setzen sich. Sie sind gerettet! Dem Eichhörnchen ist es gelungen, aus dem Riesenrad zu springen.
Aber hey, so erkennt man, wer eine unabhängige Person ist. So heben Sie sich von der Masse ab. Und der Direktor der Papierfabrik wurde in dieser Nacht festgenommen. Sie hauen ihm locker zehn Jahre auf, mit ganz anderen Vorwürfen."
Beitragsbild: John Thys/AFP