Dr. Gerhard Papke war von 2000 bis 2017 Abgeordneter der FDP (Freie Demokratische Partei) im Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen. Der frühere Fraktionsvorsitzende der FDP war bis 2017 Vizepräsident des dortigen Parlaments, seit 2019 ist er Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft mit Sitz in Berlin und Bonn. Er wurde von einem Mitarbeiter von „Ungarn heute“ interviewt.
– Sie haben sich an der Arbeit des Unternehmens beteiligt, obwohl Sie keine persönliche Verbindung zu Ungarn haben. Was hat Sie dazu bewogen, eine solche Organisation zu leiten?
- Obwohl ich keine familiären Wurzeln in Ungarn habe, habe ich in meiner Jugend die Freiheitsliebe des ungarischen Volkes sehr bewundert und viel über den ungarischen Nationalaufstand von 1956 gelesen. Der östliche Teil meiner deutschen Heimat stand unter kommunistischer Herrschaft. 1956 zeigten die Ungarn, dass eine Diktatur niemals akzeptiert werden sollte, und gaben damit ganz Europa Hoffnung. Und 1989 entfernten die Ungarn den ersten Ziegelstein aus der Mauer, die Deutschland trennte. Viele meiner Landsleute werden das für die Ungarn nie vergessen. Das werde ich auch nicht.
Und auch heute noch können wir Deutschen von den Ungarn lernen. Genau das versuche ich in Deutschland zu vermitteln.
- Glauben Sie wirklich, dass Deutschland von Ungarn lernen sollte?
- Beginnen wir mit dem Nationalbewusstsein. Die Ungarn sind ein geschichtsbewusstes Volk, denn in ihrer tausendjährigen Geschichte mussten sie oft ums bloße Überleben kämpfen. Deshalb wollen sie ihre Kultur und Sprache bewahren. Ihre Traditionen geben ihnen Kraft und Orientierung.
In Deutschland hingegen versucht man seit Jahren, die eigene Nation als etwas Schlechtes darzustellen, weil Hitler mit der faschistischen Schreckensherrschaft so viel Unglück über Europa gebracht hat. Aber überzogener, hasserfüllter Nationalismus und kosmopolitisches Nationalbewusstsein sind zwei verschiedene Dinge! Linke Parteien in Deutschland verwischen diese Unterscheidung bewusst und brandmarken jeden, der offen für sein Land eintritt, als Rechtsradikalen. Auch das ist Teil ihrer Strategie und erklärt zum Teil die Angst vor Viktor Orbán in Berlin und Brüssel.
- Glauben Sie, dass die deutsche politische Linke Angst vor Viktor Orbán hat?
- Natürlich. Ungarn ist ein relativ kleines Land, aber Ungarn ist das Gegenteil von allem geworden, was die linksgrünen Ideologen wollen. Die Ungarn verteidigen die traditionelle Familie, die aus einer Mutter, einem Vater und ihren Kindern besteht, und ignorieren den ganzen Trans-Wahnsinn, der in Westeuropa und den Vereinigten Staaten verbreitet wird. Die Ungarn schützen die Grenzen Europas, während die Bundesregierung jeden Monat Tausende Afghanen nach Deutschland fliegt und immer weitere Grenzen für die Masseneinwanderung öffnet. Die Ungarn verteidigen ein dezentralisiertes Europa selbstverwalteter, freier Nationen. Sie wollen nicht, dass ihnen ein EU-Superstaat vorschreibt, wie sie leben und ihre Kinder großziehen sollen.
All dies stellt eine Herausforderung für den rücksichtslosen Machthunger der aufgeweckten Ideologen dar, die Europa durch Brüssel zwingen wollen, ihre eigene Richtung zu verfolgen. Deshalb erklären sie Ungarn zum Reich des Bösen und verleumden es ständig mit falschen Behauptungen. Das ist es, wogegen ich zu kämpfen versuche.
„Mit welchem Ergebnis?“
„Sie beleidigen mich ständig, manchmal bedrohen sie mich sogar.“ Andererseits bekomme ich auch enormen Zuspruch. Nach jedem Interview schreiben mir Leute und danken mir für meine pro-ungarische Haltung. Sie greifen mich nicht so leicht an, weil ich für mein Engagement in Ungarn kein Geld bekomme, sondern ehrenamtlich arbeite. Als alter FDP-Politiker kann man mich nicht einfach in die Ecke der radikalen Rechten drängen. Ungarn hat in Deutschland viel mehr Freunde, als man aufgrund der Mainstream-Medien vermuten würde. Diese Erfahrung ist äußerst motivierend, ebenso wie die Herzlichkeit der Deutschen ungarischer Herkunft, die sehr darunter leiden, dass ihre alte Heimat in Deutschland oft ungerecht behandelt wird.
- Er sagt, Ungarn habe viele Freunde in Deutschland, auch wenn die deutsche Presse oft ein verzerrtes Bild von Ungarn zeichnet.
– Es zeigt sich, dass Medien und Politik in Deutschland derzeit besser zusammenrücken als Jahrzehnte zuvor.
Die klassischen Parteien und viele Medien sind so weit nach links gerückt, dass sich viele Deutsche darin nicht mehr wiederfinden.
Das Interesse an Ungarn wächst, weil dort Überzeugungen sichtbar werden, die den liberal-konservativen Menschen in Deutschland fehlen. Ungarn beginnt für immer mehr Menschen die Welt zu verkörpern, die in Westeuropa, auch in Deutschland, verloren gegangen ist, auch wenn viele Menschen sich danach sehnen.
- Trotz des Drucks der deutschen Regierung stimmen Ihre Unternehmen und Ihre Industrie mit ihren „Füßen“ ab; investieren in Rekordzahlen in Ungarn. Wird sich dieser Trend trotz der Dichotomie zwischen Handel und Politik fortsetzen oder besteht die Gefahr, dass sich die Auseinandersetzungen auf die Geschäftsbeziehungen auswirken?
- Es ist wirklich empörend, dass einige deutsche Politiker, wie zum Beispiel Frau Katerina Barley, vor Investitionen in Ungarn warnen! Allerdings haben deutsche Unternehmen in Ungarn ganz andere, grundsätzlich positive Erfahrungen gemacht. Und diese enge wirtschaftliche Verflechtung unserer Länder ist eine sehr stabile Basis für die deutsch-ungarische Freundschaft. Denn Menschen aus beiden Ländern arbeiten täglich in unzähligen Unternehmen zusammen und lernen, einander zu respektieren. Das macht sie immun gegen Hassparolen!
- Die meisten Ungarn betrachten die Deutschen immer noch voller Zuneigung als das Volk Bachs, Goethes oder sogar Adenauers. Deshalb sind die Anfeindungen aus Presse und Politik für uns so unverständlich. Aber sind die Deutschen immer noch das Volk von Rilke, Bach und Goethe oder leben wir in der Vergangenheit?
- Johann Wolfgang von Goethe, der größte deutsche Dichter aller Zeiten, ist ebenso unzerstörbar wie Sándor Petőfi. Und das enge Zusammenleben von Deutschen und Ungarn ist ebenso unzerstörbar. Ich glaube, dass wir in Deutschland in absehbarer Zeit wieder eine Regierung haben werden, die sich der tiefen Freundschaft unserer Völker verpflichtet fühlt. Schauen wir also optimistisch in die Zukunft!
Autor: Dániel Deme