Boris Kálnoky bewertete Orbáns Rede in Tusnádfürdő in den Kolumnen der Weltwoche.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hält jedes Jahr auf dem Tusnádfürdő in Siebenbürgen eine Rede, die die Welt mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt. Meiner Meinung nach war die diesjährige Rede die zweitwichtigste, die er je gehalten hat.
Die wichtigste war seine allererste politische Rede im Jahr 1989, noch als Studentenführer, als er den Abzug der russischen Truppen und die Verwirklichung der nationalen Visionen des ungarischen Freiheitskampfes gegen die Habsburger forderte. Das katapultierte ihn von einem Tag auf den anderen auf die Bühne der großen Politik, auch auf internationaler Ebene.
Jeder, der ihn sah, wusste, dass dieser junge Mann nach dem Regimewechsel in Ungarn eine große Rolle spielen würde.
Viktor Orbán präsentierte sich damals als Liberaler, konnte diese Rede jedoch in seinem heutigen Selbstverständnis als Konservativer wörtlich wiederholen.
Was er in diesem Jahr sagte, war wichtig, weil er eine umfassende Analyse der Weltlage lieferte, die absehbaren Entwicklungen bis 2050 skizzierte, Ungarn in all dies einordnete und die „große Strategie“ ankündigte, mit der Ungarn die epochalen Veränderungen bewältigen wird Inmitten dieser neuen Weltordnung müssen Sie Ihre Erfolgschancen maximieren – denn diese Veränderungen sind auch Chancen.
Wer diese Rede studiert, kann genau erkennen, welche Ziele Ungarn in den kommenden Jahren hat. Dies macht den Text für Ungarn, aber auch international wichtig:
Viktor Orbán ist der einzige Politiker der Welt, der öffentlich und klar so umfassende, zukunftsweisende und handlungsorientierte Analysen vorlegt wie kaum ein anderer Experte in schwer verständlicher Sprache.
Darüber hinaus ist eine solche Orbán-Analyse nie ein einzelner Aufsatz, sondern bezieht das analytische Potenzial seiner gesamten Regierung sowie die Beiträge amerikanischer und westeuropäischer Berater und Experten ein.
Was hat Orbán also gesagt?
Er gab zu, dass er die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Strukturwandels in der Welt unterschätzt hatte. Der Krieg in der Ukraine hat alle Transformationsprozesse beschleunigt und die brutale Wahrheit sichtbar gemacht: wie die Kräfteverhältnisse in der Welt aussehen und was sie für die Zukunft bedeuten.
Der Westen habe sich vom Nationalstaat verabschiedet, im Gegensatz zu den mittel- und osteuropäischen Ländern, die nur in diesem Rahmen Politik für sinnvoll hielten.
Denn nur der Nationalstaat bietet die Werte, die ein gemeinsames Handeln auf der Grundlage gesellschaftlicher Moral überhaupt möglich machen.
Die Abkehr vom Nationalstaat, seiner Kultur und seinen Werten in westlichen Ländern ist unumkehrbar. Allerdings ist dieser Weg im Osten nicht möglich.
Titelbild: Premierminister Viktor Orbán (hinten rechts) hält am 27. Juli 2024 einen Vortrag beim 33. Bálványosi Summer Free University and Student Camp in Tusnádfürdő in Siebenbürgen.
Neben ihm sind Zsolt Németh, der Fidesz-Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten der Nationalversammlung, und László Tõkés, der Vorsitzende des Siebenbürgischen Ungarischen Nationalrats (EMNT) (hinten, rechts). Quelle: MTI/Pressestelle des Premierministers/Zoltán Fischer