Die Linke baut in Deutschland eine neue und nicht sehr schöne Welt auf - warnt der deutsche Historiker Klaus-Rüdiger Mai in der Sendung Vasárnapi Újság von Kossuth Rádió. Er fügte hinzu, Europas größte Volkswirtschaft habe etwas zu verlieren, der Sozialstaat sei hier nicht nur ein Schlagwort und eine Erinnerung, sondern Ausschließlichkeit suchende Ideologien und Aktivisten, die keinen Widerspruch dulden, bedrohen bereits jetzt die Werte, die dem Westen seine größte Stärke verliehen : Wettbewerb und Freiheit.

Wir gestalten die Zukunft, so lautet der Titel seines neuesten Buches. Verbunden mit dem Titel kamen die Begriffe Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Souveränität und Verantwortung für uns selbst in den Sinn.

Sehr gute Assoziationen. Denn der Grundgedanke ist, dass wir mehr Verantwortung übernehmen müssen, wenn wir unsere Zukunft selbst gestalten wollen. Eine wichtige Frage ist natürlich, wer was ist. Es ist keineswegs eine entfernte Gruppe oder eine bestimmte Gruppe von Menschen, sondern die Bürger selbst. Ich glaube, dass die Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger der Republik eine Verpflichtung schuldet, in der die Bürgerinnen und Bürger selbst die Dinge in einer demokratischen Gemeinschaft gestalten müssen oder sollen.

Es geht um die Zukunft, unsere Zukunft und die unserer Kinder, also müssen wir uns entscheiden, in welche Richtung Deutschland geht. Wir befinden uns inmitten eines epochalen Wandels, der nicht nur uns in Deutschland betrifft, sondern auch Ungarn und die gesamte Europäische Union. Große wirtschaftliche und philosophische Veränderungen finden statt, und auch die Art und Weise, wie wir die Welt betrachten, ändert sich. Eine ähnliche treibende Kraft war zum Beispiel Ende des Mittelalters die Erfindung des Buchdrucks, und jetzt wirkt sich die Verbreitung der Digitalisierung so stark aus.

Was sind die Werkzeuge der Bürger, um die Entscheidung zu treffen? Im Herbst wird in Deutschland gewählt; Ist es ein Werkzeug oder das einzige Werkzeug?

Die Wahl ist ein Werkzeug, aber nicht das einzige. Mein Buch besteht aus zwei Teilen, der erste Teil enthält Analysen, während der zweite Teil Vorschläge macht, welche Punkte geändert werden sollten. Ich habe vielleicht nicht in allem Recht, aber es wäre wichtig, diese Fragen zu diskutieren, um Lösungen zu finden, die für alle oder zumindest für die große Mehrheit akzeptabel sind. Dies ist ein wesentlicher Punkt bei der Reform der gesamten Demokratie.

Wir müssen unsere Demokratie wieder demokratisieren. Die gegenwärtige Demokratie, in der wir leben, ist nicht antidemokratisch, aber ihr fehlen wichtige demokratische Elemente. Ein markantes Beispiel dafür: Im Land Sachsen-Anhalt wurde der Vertrag des Landesrundfunks nicht verlängert, nachdem es zu einem Streit um die Anhebung des Zwangsbeitrags gekommen war. Ich wünsche mir wirklich gute, ausgewogene und starke öffentlich-rechtliche Medien, denn die deutschen öffentlich-rechtlichen Medien sind nicht mehr ausgewogen.

In seinem Buch analysiert er getrennt die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft und das Phänomen Migration, aber diese Bereiche hängen zusammen, da es um die Gesellschaft geht.

Deutschland hat nicht viele Bodenschätze, daher liegt der Reichtum des Landes in seiner Bildung, Wissenschaftlern, Technikern, Erfindern und Ingenieuren. Das hat Deutschland nach dem Imperium groß gemacht. Ohne ein exzellentes Bildungssystem kann es jedoch keine industrielle Innovationskraft geben, und bei den PISA-Erhebungen schneiden wir derzeit eher mittelmäßig ab.

Bildung sollte sich weg von Ideologien wie den Gender Studies bewegen, die auch in Deutschland als Fachbereich auftritt. Wir brauchen Soziologen und Philosophen, die wirklich über die Gesellschaft nachdenken. Wir brauchen auch kompetente Sprachwissenschaftler, vor allem aber einen Schub in den Bereichen Technik und Naturwissenschaften, durch die wir unseren Wohlstand erhalten können. Wenn das gelingt, werden wir wirklich konkurrenzfähig sein. Und wenn wir wettbewerbsfähig sind, geht es auch der Wirtschaft besser. So wirkt sich Bildung auf die Wirtschaft aus, und das ist nur ein Punkt in den Zusammenhängen, und das gilt auch für die Demokratie.

In den letzten Tagen kam eine Umfrage aus Deutschland heraus. Die Untersuchung zeigt, dass die große Mehrheit der Deutschen das Gefühl hat, ihre Meinung nicht frei äußern zu können. Sehen Sie das als traurige Entwicklung?

Wenn Bürger das Gefühl haben, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu können - unabhängig davon, ob dies wirklich der Fall ist - und dieses Gefühl in einem erheblichen Teil der Gesellschaft vorhanden ist, dann lohnt es sich, über den Stand des sozialen Dialogs nachzudenken. In solchen Fällen wäre es sinnvoll, die Regeln des sozialen Dialogs zu diskutieren. Diese Regeln stellen im Grunde die Grenze dessen dar, was gesagt werden kann. Das ist nicht meine Formulierung, sondern eine Erfahrung aus DDR-Zeiten.

Aus der Sicht eines Dialogs halte ich es für verboten, die Grenze dessen zu definieren, was gesagt werden kann. Genauer gesagt gibt es einige Punkte, bei denen wir sagen müssen, dass der weitere Gedankenaustausch dort aufhört. Dazu gehören alle möglichen Erscheinungsformen von Antisemitismus, aber auf der anderen Seite sollte dies nicht als Instrument benutzt werden, weil dann auch dort der Dialog unterbrochen wird.

Ich werde oft gefragt, wo die roten Linien sind, die mit dem gesprochenen Wort nicht überschritten werden dürfen. In solchen Fällen frage ich immer: Wer definiert diese rote Linie? Und meine Antwort ist immer die gleiche, die rote Linie ist durch die Verfassung gekennzeichnet, sie beschreibt genau, wo sie gezogen wird. Außerdem haben wir ein gutes Grundgesetz, es definiert, wo die Grenze ist, nicht die Grenze dessen, was gesagt werden kann, sondern die Grenze, wo der Dialog endet.

Und was ist mit der politischen Korrektheit?

Politische Korrektheit ist ganz einfach ein Witz. Es ist nichts weiter als eine Verengung des Dialogs. Denn Political Correctness bedeutet nicht, dass jemand politisch korrekt ist, sondern dass er gemäß seinem Weltbild und seinen weltanschaulichen Überzeugungen eine Vorstellung davon hat, was politisch korrekt ist. Wer andere ideologische Überzeugungen hat, gehört nicht zu den politisch Korrekten. Dass jemand eine andere politische Meinung hat, gehört aber zum Pluralismus. Pluralismus bedeutet eben, dass wir unterschiedliche Meinungen haben, aber wir haben eine Demokratie, dank der wir unsere Streitigkeiten nicht mehr dadurch schlichten müssen, dass wir uns in Rüstungen auf den Kopf schlagen, sondern uns an einen Tisch setzen und darüber diskutieren. Warum sieht das der eine so und der andere so, was ist die Lösung, gibt es eine Lösung, verstehen wir den anderen, auch wenn wir ihm nicht zustimmen? Das ist Demokratie, zwischen verschiedenen Standpunkten zu diskutieren und zu verhandeln. Letztlich geht es immer darum, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt und was wir Republik und Gemeinwohl nennen.

Quelle: hirado.hu

Titelbild: Wikipedia