Der Deutsche Landkreistag (DLT) ist ein deutscher Dachverband von 294 Landkreisen, der drei Viertel der Kommunen, etwa 96 Prozent der Landesfläche und – mit 57 Millionen Menschen – 68 Prozent der deutschen Bevölkerung vertritt. Nach dem von ihnen vorbereiteten und der Regierung unbekannten Vorschlag muss Deutschland seine Migrationspolitik ändern. Das beweist unter anderem der Solingen-Anschlag.
In den letzten zehn Jahren wurden in Deutschland fast 2,8 Millionen Asylanträge gestellt. Darüber hinaus wurden seit 2022 rund 1,2 Millionen ukrainische Flüchtlinge im Land aufgenommen (das ist mehr als ein Viertel der Menschen, die aus der Ukraine nach Europa geflohen sind). Die Kapazitäten der Kommunen zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen sind damit erschöpft. Strenge Beschränkungen der illegalen Migration sind dringend erforderlich. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Deutsche Landkreistag das am 29. August 2024 von der Bundesregierung vorgelegte Sicherheitspaket, das auch eine Verschärfung des Abschiebe- und Asylrechts vorsieht. Der Deutsche Landkreistag ist jedoch der Ansicht, dass ein solches umfassendes Konzept neben der konsequenten Umsetzung bestehender Rechtsvorschriften folgende Punkte umfassen sollte:
1. Anpassung der Grundlagen des Flüchtlingsrechts: Abschaffung des ergänzenden Schutzstatus; Bereitstellung von Schutz in Nachbarländern
Die rechtlichen Grundlagen des Schutzes in Deutschland und Europa müssen daraufhin überprüft werden, ob sie den aktuellen Herausforderungen noch gerecht werden. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die den Schutz vor individueller (politischer) Verfolgung – den historischen Kern des Flüchtlingsrechts – auf Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge ausdehnen. Auf europäischer Ebene betrifft dies insbesondere den Status des subsidiär Schutzberechtigten.
Etwa ein Viertel der in Deutschland anerkannten Asylbewerber erhält diesen Status; Dies gilt insbesondere für Flüchtlinge aus Syrien. Nach Ansicht des Deutschen Landkreistags erwies sich dieses Instrument als unzureichend. Da der subsidiäre Schutzstatus durch verbindliches Völkerrecht nur ansatzweise definiert ist, können die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihn vollständig abschaffen. Scheitert dies, muss es grundlegend reformiert und in seiner Ausgestaltung deutlicher von der anerkannten Flüchtlingseigenschaft abgegrenzt werden.
Der Deutsche Landkreistag fordert, dass denjenigen Bürgerkriegsflüchtlingen, denen keine individuelle (politische) Verfolgung droht, mit Unterstützung der Europäischen Union in den Nachbarländern des betroffenen Landes Schutz geboten wird. Dies würde den Betroffenen die oft gefährliche Flucht nach Europa ersparen und ihnen die Rückkehr in ihr Heimatland ermöglichen, sobald sich die Lage dort beruhigt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Integration in die Aufnahmegesellschaft in den Nachbarländern deutlich weniger herausfordernd ist als in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.
2. Zahl der Rückführungen und Abschiebungen deutlich erhöhen – Abschiebungen sollen auch nach Syrien und Afghanistan erfolgen
Derzeit leben in Deutschland 227.000 Menschen, die das Land verlassen müssen. 44.000 von ihnen haben keinen geduldeten Aufenthaltstitel und könnten daher sofort abgeschoben werden. Vor diesem Hintergrund müssen die verbleibenden Abschiebehindernisse zügig beseitigt werden. Gegebenenfalls müssen auch die rechtlichen Instrumente entsprechend verschärft werden.
Abschiebungen scheitern häufig daran, dass die Identität der betroffenen Person nicht festgestellt werden kann. Zukünftig muss sichergestellt werden, dass die Klärung der Identität bereits Voraussetzung für die Stellung eines Asylantrags ist. Dementsprechend muss im europäischen und nationalen Recht klargestellt werden, dass der Asylantrag von Personen, deren Identität anhand von Ausweispapieren oder ähnlichen Dokumenten nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, abgelehnt werden kann.
Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ( BAMF ) unverzüglich auf die Verbesserung der Sicherheitslage in den Herkunftsländern reagiert (ggf. durch einen Entzug der Anerkennung). In diesem Zusammenhang verdient das jüngste Urteil des Münsteraner OVG besondere Aufmerksamkeit. Das Gericht entschied, dass keine ernsthafte individuelle Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Zivilbevölkerung in Syrien mehr bestehe. Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban ist die Lage in Afghanistan relativ stabil, was nicht zuletzt die vielen dokumentierten „Rückführungen“ afghanischer Asylbewerber belegen. Um abzuschiebende Personen an der Flucht zu hindern, kann eine Abschiebungshaft erforderlich sein. Diesbezüglich wurden die rechtlichen Grundlagen bereits kürzlich mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rückführung verschärft.
Auf Grundlage des DTL-Vorschlags gemäß Dublin III ist es nunmehr verpflichtend, hierfür die erforderliche Anzahl an Haftplätzen bereitzustellen. Nach der Verordnung ist Deutschland in vielen Fällen nicht für die Prüfung von Asylanträgen von Asylbewerbern zuständig, die sich zuvor in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgehalten haben. Aus ihrer Sicht ist die Funktionsfähigkeit des Dublin-Systems derzeit nicht mehr gewährleistet, vor allem weil einzelne Länder die Zusammenarbeit einseitig gekündigt haben und die Genehmigung berechtigter Aufnahmeanträge verweigern oder verzögern (z. B. Griechenland und Italien). Dies ist für sie inakzeptabel, weshalb ihrer Ansicht nach die Funktionalität des Systems durch eine Abschiebung der Dublin-Fälle an den deutschen Grenzen erheblich gesteigert würde. Und wenn dies nach EU-Recht aktuell nicht möglich ist, müssen die entsprechenden Regelungen umgehend angepasst werden.
3. Fortsetzung der Grenzkontrollen
Eine konsequente Grenzkontrolle ist Voraussetzung für die Ablehnung von Dublin-Fällen. Konsequente Grenzkontrollen hätten „ihre Wirksamkeit als Mittel zur Kontrolle und Begrenzung illegaler Migration […] eindrucksvoll unter Beweis gestellt und sollten daher ausgeweitet und ausgebaut werden“.
4. Kürzung der Leistungen für Schutzsuchende – Reduzierung attraktiver Faktoren
Das hohe Niveau der Sozialleistungen im Land macht Deutschland als Zielland für Flüchtlinge besonders attraktiv und trägt zur ungleichen Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union bei. SS § 1. (4) Absatz 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die bereits bestehenden Anspruchsbeschränkungen gemäß Nummer 2 zeigen, dass ordnungsgemäß begründete Kürzungen grundsätzlich möglich sind – im Rahmen der strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Daher ist auch der Vorschlag der Bundesregierung zu begrüßen, die Inanspruchnahme von Sozialleistungen in Deutschland in bestimmten Dublin-Fällen weitgehend auszuschließen.
Ihrer Meinung nach soll dieser Vorschlag auf alle Asylbewerber ausgeweitet werden, für deren Antrag ein anderer EU-Mitgliedsstaat zuständig ist, sowie auf andere Personen, die zur Ausreise ohne Duldung verpflichtet sind. Leistungen sollen ihnen ausschließlich in Form von Unterbringung und Betreuung in zentralen Abschiebeeinrichtungen gewährt werden. All dies würde einen erheblichen Anreiz zur freiwilligen Ausreise aus Deutschland schaffen und könnte die Wirksamkeit freiwilliger Rückkehrprogramme erheblich steigern.
Auch die Leistungen für abgelehnte Asylbewerber, die sich nur auf der Grundlage einer Duldung rechtmäßig in Deutschland aufhalten, sollten auf das Niveau der Grundleistungen gesenkt werden. Dies kann Betroffene zur freiwilligen Ausreise ermutigen und ihre Bereitschaft erhöhen, bei der Beseitigung von Abschiebehindernissen mitzuhelfen. Auch die Harmonisierung der Integrations- und Sozialleistungen auf europäischer Ebene, also die Gleichwertigkeit der Sozialstandards der einzelnen Mitgliedsstaaten, kann dazu beitragen, Deutschland als Zielland weniger attraktiv zu machen und so eine gleichmäßigere Verteilung von Flüchtlingen in Europa zu unterstützen .
5. Beendigung der freiwilligen Aufnahmeprogramme – Aussetzung der Familienzusammenführung
Der Deutsche Landkreistag bekräftigt seine bisherige Forderung nach einer sofortigen Einstellung der freiwilligen Flüchtlingsaufnahmeprogramme. Der Grund dafür ist, dass es keinen Raum für die freiwillige Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge gibt, solange die illegale Migration nicht wirksam eingedämmt werden kann.
Darüber hinaus muss, soweit rechtlich möglich, auch die Familienzusammenführung ausgesetzt werden. Das EU-Recht eröffnet hierzu Möglichkeiten für den nationalen Gesetzgeber, insbesondere für Personen mit Anspruch auf ergänzenden Schutz. Demnach hat Deutschland die Familienzusammenführung zu ergänzend Schutzberechtigten im Jahr 2016 zunächst für zwei Jahre komplett ausgesetzt und ab 2018 dann eingeschränkt. Seitdem gilt für die Familienzusammenführung eine Grenze von 1.000 Personen pro Monat ( § 36a AufenthG ). Angesichts der aktuellen Situation muss die Familienzusammenführung zu ergänzend Schutzberechtigten erneut vollständig ausgesetzt werden.
6. Rasche Umsetzung und Weiterentwicklung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Nach mehrjährigen Diskussionen über das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) hat der europäische Gesetzgeber im Frühjahr 2024 das neue Asyl- und Migrationspaket offiziell verabschiedet. Die Änderungen entsprechen den langjährigen Forderungen des Deutschen Landkreistages und müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Allerdings sollten beschleunigte Verfahren in Grenztransitzentren auf alle Flüchtlingsgruppen ausgeweitet werden. Darüber hinaus sollte im EU-Recht klargestellt werden, dass Schutzsuchende künftig nur noch Anspruch auf ein Asylverfahren in Europa haben.
7. Vorübergehendes nationales Einreiseverbot als letztes Mittel
Sowohl das nationale Grundrecht auf Asyl als auch das internationale Flüchtlingsrecht fallen unter die Dringlichkeitsklausel. Danach ist kein Staat verpflichtet, Flüchtlinge in einem Umfang aufzunehmen, der eine akute Gefährdung der Funktionsfähigkeit seiner Institutionen darstellt. Anzeichen einer solchen akuten Gefahr sind administrative Überlastung (beispielsweise bei der Durchführung von Asylverfahren), Erschöpfung der Aufnahmekapazitäten oder fehlende sprachliche oder soziale Integrationsmöglichkeiten.
In vielerlei Hinsicht sind diese Grenzen bereits erreicht und sogar überschritten. Dafür spricht die lange Dauer der Asylgerichtsverfahren; die Tatsache, dass Asylbewerber vielerorts nur in Notunterkünften untergebracht werden können; lange Wartezeiten auf Integrationskurse sowie die unhaltbare Situation in Kindergärten und Schulen, wo der hohe Ausländeranteil den Erfolg deutscher Jugendlicher gefährdet. Sollten die oben genannten Maßnahmen nicht in naher Zukunft zu einer deutlichen Reduzierung der illegalen Migration führen, hält es der Deutsche Landkreistag daher für gerechtfertigt, die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge deutlich zu begrenzen oder die Aufnahme vorübergehend auszusetzen.
Dabei gilt EUMS Nr. Artikel 72 besagt, dass die migrationsrechtlichen Anforderungen des EU-Rechts die Ausübung der Pflichten der Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit nicht beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere in einer Zeit, in der aufgrund bewusster Versäumnisse einzelner Mitgliedstaaten Zweifel an der Nachhaltigkeit der gesamteuropäischen Solidarität aufkommen und der seit Jahren ungebremste Zustrom illegaler Migranten auf ein Scheitern des gemeinsamen europäischen Asylsystems schließen lässt. Es kann daher keineswegs ausgeschlossen werden, dass ein besonders betroffener Mitgliedstaat (z. B. Deutschland) unter Berufung auf die Regelungen des Art. 72 AEUV einseitige Maßnahmen zur Beschränkung der Zulassung ergreift.
8. Obligatorische Einbindung kommunaler Spitzenverbände
Abschließend betont die DTL, dass die Kommunen, die maßgeblich für Unterbringung, Betreuung und Integration zuständig sind, über ihre Spitzenverbände dringend und zeitnah in die weiteren Verhandlungen zwischen Bund, Opposition und Ländern eingebunden werden müssen.
Autor: Jr. Zoltán Lomnici / alaptorvenyblog.hu
Titelbild:
Kinder, die an der Deutschen Muslimischen Friedenskonferenz teilnehmen, schwenken am 7. September 2018 in Karlsruhe Deutschlandfahnen. Organisiert wurde die Konferenz unter dem Motto „Liebe für alle, Hass für niemanden“ von einer der größten islamischen Gemeinschaften Deutschlands, der Ahmadiyya, die mehr als 45.000 aktive Mitglieder hat und mehr als 50 Moscheen betreibt. (MTI/EPA/Ronald Wittek)