Gebäude haben wie Bücher ihr eigenes Schicksal. Hier ist zum Beispiel das Stadtschloss in Berlin, das Stadtschloss der Kurfürsten von Brandenburg und dann der preußischen Könige, immer wieder nach dem Geschmack verschiedener Epochen umgebaut und erfüllt unterschiedliche Funktionen. Das nach italienischem Vorbild erbaute und mit einer riesigen Kuppel geschmückte Barockschloss blieb die letzte Version bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, als es von einer Bombe getroffen wurde. Es hätte restauriert werden können, aber die Ostberliner Genossen beschlossen, es abzureißen. Alle Proteste waren vergebens: Die belastete deutsche Vergangenheit musste zusammen mit der unbelasteten vollständig ausgelöscht werden. Auf dem Gelände des Schlosses, auf dem großen Platz namens Marx-Engels-Platz, hielt Walter Ulbricht eine Rede, und hier tranken die Leute der Endeká bei den Feierlichkeiten ihr Freibier.
Berlin ist eine windige Region, es regnet viel, also beschlossen die Genossen, sich an einen überdachten Ort zurückzuziehen, und bauten auf dem Platz den Palast der Demokratischen Republik. Hier tagte die Volkskammer, hier fanden die Parteiveranstaltungen statt, das Gebäude war mit allen Schönheiten der sozialistischen Moderne ausgestattet. Der in die Stahlkonstruktion eingebettete Asbest störte die Gesundheit der Menschen von innen, die riesige Glasfläche leuchtete von außen und spiegelte den sakralen Glanz der gegenüberliegenden Kathedrale wider. Wer weiß, welche disruptive Absicht dahinter steckte?
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Gebäude zunächst aus gesundheitlichen Gründen geschlossen, dann als Partylokal wiedereröffnet, bis der Bundestag den Abriss und die Wiederverwertung des Areals beschloss. All dem ging natürlich eine jahrzehntelange gesellschaftliche Debatte voraus, zuerst gab es Demonstrationen gegen den Abriss, dann gab es Demonstrationen gegen das Recycling. Es konnte nach den demokratischen Spielregeln abgestimmt und Ideen eingebracht werden. Am Ende entschieden sich die Entscheidungsträger dafür, die Fassade des originalen Barockschlosses an drei Gebäudeseiten originalgetreu zu rekonstruieren, das Innere des Gebäudes und die Spreeseite, die Hochburg von Kultur und Wissenschaft, zu modernisieren politisch neutraler Name Humboldt Forum. Ein nach deutscher Art errichtetes Patjomkin-Gebäude, wenn man das in der Welt der antirussischen Sanktionen in Berlin noch sagen kann.
Der Regierungskommissär für Bauwesen war nicht aufmerksam genug, so dass es vorkommen kann, dass aus Gründen der historischen Genauigkeit das Kreuz oben auf der Kuppel angebracht und der Text, der unten auf der Kuppel läuft, wieder mit angebracht wurde goldene Buchstaben. Das Bibelzitat ist leicht zu lesen: „Es gibt kein Heil in irgendetwas anderem, (…) als im Namen Jesu zur Ehre Gottes des Vaters. Vor dem Namen Jesu beuge sich jedes Knie, sowohl im Himmel als auch auf Erden und in der Unterwelt, denn nur Jesus Christus ist Herr." Dass die Inschrift Symbole der christlichen Kolonialherrschaft enthielt, kam den Restauratoren nicht in den Sinn. Sie sahen auch nur die authentische historische Rekonstruktion im Kreuz auf der Kuppel. In der Welt des Doppeldenkens hätten sie jedoch die Ausgrenzung und Demütigung der BLM wahrnehmen können, wie es die afrikanischen Kritiker der Inschrift tun. Das christliche Bild passe nach Meinung der Kosmopoliten nicht zur Fassade des Humboldt Forums, eines universellen Museums und Ausstellungszentrums.
Das Bibelzitat ist der Erbauer IV. Es war das Motto von König Wilhelm von Preußen, die Demut des weltlichen Herrschers vor der göttlichen Macht. Ich glaube, niemand wäre auf die Idee gekommen, damit ein Problem zu machen, wenn die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, nicht auf die Inschrift aufmerksam geworden wäre. Claudia Roth findet, dass christliche Symbole Symbole des Kolonialismus sind, überholt sind, andere Religionen ausschließen und damit die Sensibilität vieler verletzen. Außerdem drücken sie nicht die Weltoffenheit des heutigen Deutschlands aus. Als er dies erklärte, brachten die Institutionen des Humboldt Forums umgehend ein Zeichen neben der Kuppel an, mit dem sie Land und Welt wissen ließen, dass sie sich von dem ausschließlichen Herrschaftsanspruch des Christentums, von allem, was die Inschrift ausdrückt, distanzieren. Dort, in der Hochburg deutscher Wissenschaft und Kultur, wird wirklich fortschrittlich gedacht!
Es ist ein alter Fehler, wenn progressives Denken unvollständiges universelles Wissen und Lücken in der Textinterpretation überdeckt. Das Zitat des Apostels Paulus forderte die Philipper auf, das Knie nur vor Christus zu beugen, nicht vor dem römischen Kaiser. Mit anderen Worten, er gab den Menschen Entscheidungsfreiheit in weltlichen Angelegenheiten. Was können wir von gewöhnlichen Fußballspielern erwarten, die aus Respekt vor prominenten Vertretern der BLM-Bewegung oder aus künstlichem Schuldgefühl vor einem Spiel niederknien? Sie müssen die Bibel nicht gelesen haben, aber die Progressiven anscheinend auch nicht, weshalb sie beispielsweise das Verhalten der Ungarn aufgrund christlicher Traditionen falsch interpretierten.
Claudia Roth hat sich ihren Kulturregierungsposten mit ihrer langjährigen und treuen Karriere für die Grünen verdient. Mit Kultur hatte er nie viel am Hut, in seiner Jugend studierte er zwei Semester an der Universität. Er dachte, dass er statt Wissen lieber Erfahrungen in der Welt der alternativen Kunst und Politik sammeln möchte. Das ist kein Problem, er bringt ungefähr das gleiche Niveau mit wie die Mehrheit der derzeitigen Mitglieder der deutschen Regierung, unvollständiges Studium, Inkompetenz, berufliche Inkompetenz, verbunden mit starkem politischem Engagement. Der politische Slogan lautet heute "Progressive Kräfte der Welt, vereinigt euch!"
Vielleicht ist auch die vorübergehende Entfernung des fünfhundert Jahre alten Kreuzes aus dem Münsteraner Rathaus seiner fachmännischen Arbeit zu verdanken. Aufgrund der Kürze der Zeit wurden dort keine weiteren Symbole platziert, obwohl wer weiß, ob die beiden riesigen siebenarmigen Leuchter im Raum gelassen wurden, weil sie dachten, es seien Menoras, oder weil ihnen die Assoziation gar nicht einfiel.
Der Angriff auf die jüdische Kultur ist noch nicht Teil des Kunstprojekts, an dem die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur arbeitet. Momentan konzentriert er sich auf die rekonstruierte Inschrift, er will anstelle des Bibelzitats temporär alternative, kommentierende und reflektierende Texte einblenden. Ich denke, sie behalten den hellblauen Hintergrund und die goldenen Buchstaben, um auf diese Weise ihre Solidarität mit den Ukrainern auszudrücken.
Was das Schicksal der Inschrift sein wird, ist nicht bekannt. Denn laut einer Umfrage halten es 98 Prozent der Deutschen nicht für eine gute Idee, das Bibelzitat zu vertuschen. Gibt es noch Demokratie in Deutschland? Als Ungar würde ich der Geschichte hinzufügen, dass wir hier im Karpatenbecken schon Ähnliches erlebt haben, nur dann, Proletarier der Welt, vereinigt euch! im Zusammenhang mit einem Passwort.
Quelle: Magyar Hírlap/Der Autor ist Historiker
Beitragsbild: berlin.de